Giulio Marano
Sprecher der Monitoring-Gruppe von ICOMOS
München, 23. Juli 2010
…..In wenigen Tagen wird das Welterbekomitee der UNESCO in Brasilia tagen und sich unter anderem nochmals mit dem Vorhaben der Landesregierung von Rheinland-Pfalz beschäftigen, im Bereich des Welterbes „Oberes Mittelrhein“ eine Brücke zu bauen. Als Übergang ist ausgerechnet der schönste Teil des Rheintals im Bereich St. Goar-St. Goarshausen – genauer Fellen-Wellmich – vorgesehen, eine Lösung, die vom Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS schon seit Jahren mit Nachdruck abgelehnt wird. Diese Ablehnung wird mit den – vor allem visuellen – Eingriffen in die einzigartige Kulturlandschaft begründet. ICOMOS ist aber auch der Auffassung, dass das Brückenprojekt im Welterbegebiet nicht den Interessen der Talbewohner gerecht werden kann und dass es dazu sinnvolle Alternativen gäbe.
Die Landesregierung beklagt, dass auf 84 km Stromlänge – zwischen Bingen und Koblenz – kein Brückenübergang besteht; die vorhandenen Fähren seien nicht in der Lage, den Verkehr zu bewältigen und seien auch nicht mehr zeitgemäß. Nach Ansicht von ICOMOS gehört gerade die Tatsache, dass auf dieser Strecke des Rheins keine Brücke vorhanden ist, zum besonderen Charakter dieser einzigartigen Kulturlandschaft. Eine feste Querung durch Brücke – aber auch durch Tunnel – würde dem genius loci des durch das Tal drängenden mächtigen Strom zuwider laufen.
Der von der Landesregierung festgelegte Standort einer Brücke zwischen Fellen und Wellmich berührt nach Ansicht von ICOMOS massiv die visuelle Integrität des Welterbes, das hier insbesondere auf der rechten Rheinseite – in Wellmich – hohe Qualitäten aufweist. Die Ortschaft zeichnet sich durch eine noch gut erhaltene, historische Struktur aus, akzentuiert durch die mittelalterliche Kirche mit dem mächtigen Turm und überragt von steilen Felshängen und der Burg „Maus“: insgesamt ein besonders eindrucksvolles Beispiel der Elemente, die das Welterbe „Oberes Mittelrheintal“ ausmachen. Jede Brücke, die sich vor dieses Bild schiebt, würde es beschädigen und entwerten, auch wenn ihr Entwurf im Wettbewerb von 2009 einen ersten Preis errungen hat. Entscheidend sind die notwendigerweise maßstabsprengenden Dimensionen, die das Bauwerk haben wird, welches den gesamten Strom überspannen und eine erhebliche Höhe erreichen soll. Diese Dimensionen sind in den veröffentlichten Darstellungen des Entwurfs kaum nachvollziehbar.
Der Brückenstandort ist darüber hinaus sehr nah an das bedeutende Naturreservat bei Ehrental gerückt; auch aus der Sicht des Naturschutzes sind erhebliche Beeinträchtigungen und Störungen zu erwarten.
Was die Fähren betrifft, so gehören sie seit Jahrtausenden zum Rhein und sind Zeugnis der Verkehrs- und Kulturgeschichte des Welterbes, so wie die Schifffahrt auf dem Strom. Der Bau der Brücke Fellen-Wellmich wird mit Sicherheit das Ende von drei Fähren (Boppard-St. Goarshausen/ St. Goar – Kaub, vielleicht auch der Standort Lorch) bedeuten, die Zentralisierung der Übergänge auf eine Brücke allein wird die Fahrstrecken für viele Rhein-Anlieger verlängern und erhebliche Schwierigkeiten für den nicht-motorisierten Personenkreis bedeuten, für die Schüler etwa oder die Rad- und Fußwanderer. Als Folge sind zusätzliche Bustransporte zu erwarten.
Von der Landesregierung wird der in Abend- und Nachtzeiten eingeschränkte Betrieb der Fähren als großer Nachteil gegenüber einem festen Übergang genannt: Dies ist richtig, ließe sich aber durch die Einbeziehung der Fähren in den Nahverkehrsverbund korrigieren – mit einem Ausgleich für die Fährbetreiber für den Betrieb in den nachfrage-armen Zeiten. Leider hat die Landesregierung – nach glaubwürdiger Aussage der Fährbetreiber – keinen Kontakt mit ihnen gesucht und keinen Versuch eines Interessenausgleichs unternommen.
Was die Kapazität betrifft, so ist anzumerken, dass die drei Fähren in Boppard, St. Goarshausen / St. Goar und Kaub zusammen im Jahresschnitt 1100 Fahrzeuge pro Tag transportieren und dabei bei weitem nicht ausgelastet sind; auch ließe sich der Fährbetrieb relativ leicht noch intensivieren, wenn die Nachfrage vorhanden wäre. Woher die von der Landesregierung prognostizierte Anzahl von 7.000 Fahrzeugen pro Tag als Richtwert für die Brücke stammt, bleibt unklar. Es geht bei der Bevorzugung einer festen Rheinquerung offenbar weniger um die Talbewohner und die Besucher des Welterbes, als um die Interessen von Gewerbetreibenden vor allem im rechtsrheinischen Landkreis Rhein-Lahn, die ohne Brücke Umwege zur A61 in Kauf nehmen müssen. Dabei dürfte das Hauptproblem nicht die Fähren sein, sondern die Ableitung des Verkehrs aus dem Rheintal (Fellen) zur A61 über nicht ausreichend ausgebaute Straßen mit engen Ortslagen und den zu niedrigen Bahnunterführungen. Eine Diskussion über den mit dem Brückenprojekt notwendigerweise verbundenen Straßenausbau ist bisher von der Landesregierung vermieden worden.
Es spricht also – unabhängig von der drohenden visuellen Beeinträchtigung des Welterbes – sehr vieles für die Beibehaltung und für den Ausbau des dezentralisierten Fährverkehrs statt eines „festen Übergangs“……
Quelle…lesen Sie weiter…es lohnt sich…=> ww.icomos.de
Gefällt mir Wird geladen …
Read Full Post »